Kapitalmarktausblick - Ausgabe 01-2023

Sinkende Energiepreise führen zu einem Rückgang der Inflation. weitere Zinsanhebungen der internationalen Notenbanken sind dennoch angekündigt. Bisher hält sich die globale Wirtschaft besser als erwartet.  Steht uns nur eine milde Rezession bevor - und war's das schon, in Zeiten multipler Krisen ? Lesen Sie hierzu unseren Kapitalmarktausblick für das 1. Quartal 2023.

Kapitalmarktausblick für das erste Quartal 2023

Die befürchteten weiteren Kursrückgänge an den Aktienmärkten im vierten Quartal 2022 sind ausgeblieben. Trotz eines extrem schwierigen Marktumfelds haben seit Beginn des vierten Quartal 2022 vor allem die europäischen Börsen und die chinesische Börse beeindruckende Kursgewinne hingelegt. So stieg beispielsweise der deutsche Aktienindex DAX seit 01.10.2023 bis 21.02.2023 um unfassbare 25,48 %. Grund hierfür waren unter anderem rückläufige Energiepreise aufgrund des bisher sehr milden Winterverlaufs. Zwischenzeitlich eingepreiste Horrorszenarien mit großflächigen Blackouts und massiven Energieengpässen wurden daher ausgepreist. Nachdem das internationale Kapital lange krisenbedingt auf den US-Dollar gesetzt hatte, kam im vierten Quartal 2022 eine deutliche Korrektur des US-Dollar zum Euro, in dessen Folge der Euro um über 10 % aufwertete. Dieser Währungseffekt reduzierte auch den europäischen Preisauftrieb aufgrund importierter Inflation deutlich.

Inflationsbekämpfung über einen längeren Zeitpunkt

Derzeit verhandelt Verdi mit der Deutschen Post die Tarifrunde Deutsche Post 2023. Die Gewerkschaft fordert für Ihre Mitglieder eine Lohnanhebung um 15 % (!). Zielsetzung der Arbeitnehmerseite ist der Ausgleich des bisherigen Inflation durch die Löhne und Gehälter. Die Herausforderung für das Jahr 2023 ist die Vermeidung sogenannter "Zweitrundeneffekte". Aufgrund der Inflation in den vergangenen beiden Jahren ist ein Kaufkraftverlust von annähernd 13 Prozent entstanden. Dieser Kaufkraftverlust soll nun wieder aufgeholt werden, um ein weiteres Absenken der Reallöhne zu vermeiden. Es droht eine Lohn-Preisspirale, in der steigende Preise zu steigenden Löhnen zu steigenden Preisen usw. führt.

Laut Destatis sind die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte im Dezember 2022 um 21,6 % höher als im Dezember 2021. Im Juli 2022 waren die Erzeugerpreise sogar 37,2 % höher gegenüber Juli 2021. Aufgrund der Aufwertung des Euros im vierten Quartal 2022 wurde der Anstieg der Erzeugerpreise gemindert, da viele Vorprodukte und Rohstoffe in US-Dollar eingekauft werden. Daher besteht für die Unternehmen weiterhin die Notwendigkeit der Preisüberwälzung auf den Verbraucher auch in 2023.

Die Kerninflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) lag in 2022 bei in etwa 5,1 % und wird 2023 weiterhin deutlich über dem Inflationsziel der europäischen Zentralbank von 2 % bleiben. Zwar sinkt die Inflationsrate aufgrund niedriger Energiepreise gegenüber dem Vorjahr, die Bundesbank rechnet allerdings auch für das Jahr 2023 mit einer Inflationsrate von 7,2 Prozent (Stand 12/2022).
Für eine Entwarnung an der Inflationsfront ist es derzeit also noch deutlich zu früh.  Tatsächlich wird die Inflationsbekämpfung in 2023 nicht einfacher - sie wird sogar noch viel komplexer. Entsprechend warnen die Ökonomen weltweit, daß der Kampf gegen die Inflation uns deutlich länger beschäftigen wird.

Weitere Zinsanhebungen der Notenbanken

Die Zinspolitik der Notenbanken wirkt zeitversetzt auf die Güter- und Kapitalmärkte. Erst 12 Monate nach Anhebung der Leitzinsen sind die Bremseffekte in der Wirtschaft angekommen. Da die US-Notenbank
früher und deutlicher die Leitzinsen in den USA angehoben hat, mehren sich zwischenzeitlich die Anzeichen einer wirtschaftlichen Abkühlung in Amerika. Die europäische Zentralbank hingegen begann erst im zweiten Halbjahr 2022 mit deutlichen Zinsanhebungen. Entsprechend dürfte sich die bremsende Wirkung dieser Maßnahme auf die Wirtschaft erst im zweiten Halbjahr 2023 zeigen.

Aufgrund von Lieferkettenengpässen und Personalmangel hatten sich in vielen Branchen die Auftragsbücher weiter gefüllt.  Anders als in früheren Jahren wurden nach der Pandemie die Kapazitäten kaum nach oben angepasst, sodaß der Anstieg der Nachfrage nach dem Ende der Pandemie zu deutlich verlängerten Lieferzeiten geführt hat. Die Abarbeitung voller Auftragsbücher hat in vielen Branchen das Wirtschaftjahr 2022 gerettet. Mit bangem Blick hofft man nun auf ein rechtzeitiges Wiederanziehen der Nachfrage, bevor sich die Auftragsbücher leeren und die vorhandenen Kapazitäten nicht mehr ausgelastet sind.

In den nächsten Monaten werden die Notenbanken die Leitzinsen weiter anheben, allerdings wird das Tempo und die Höhe der Zinsschritte reduziert. Während die US-Notenbank ihre geldpolitische Straffung in den nächsten Monaten mit Zinsanhebungen um 25 Basispunkte (+0,25 %) fortführen möchte, steht die europäische Zentralbank (EZB) zinstechnisch unter größerem Handlungsdruck. Generell ist festzustellen, daß die massiv expansive Geldpolitik der letzten Dekade eine Inflationsdynamik entfacht hat, die weit hartnäckiger sein dürfte, als derzeit angenommen. Erschwerend kommt die enorme Verschuldung von Staat und Privatsektor hinzu, die eine Abkehr von der bisherigen Notenbankpolitik nahezu unmöglich macht. Die Notenbanken sitzen damit in einer Zwickmühle, zwischen ihrem Kampf gegen die Inflation einerseits und der Wahrung des sozialen Friedens andererseits. Aufgrund des Sprengstoffs, den diese Zwickmühle birgt und dem zunehmenden politischen Einfluss auf die internationalen Notenbanken ist zu erwarten, daß die Notenbankpolitik auch längerfristig inflationäre Tendenzen nicht ausreichend bekämpfen werden, um einen Teil der Schuldenproblematik auf dem Rücken der Gläubiger und Sparer auszutragen. Unter sozialen Aspekten ist dies wohl die bessere Alternative. Für den Sparer wäre dies keine gute Nachricht.

Allein in Deutschland werden in 2023 Bundeswertpapiere im Umfang von gut 325 Milliarden Euro fällig und müssen refinanziert werden. Insgesamt muß sich Deutschland bei Investoren an den Geld- und Kapitalmärkten mehr als 539 Milliarden Euro leihen. Die britische Großbank HSBC schätzt, daß die Euro-Länder in 2023 insgesamt Anleihen über 1,2 Billionen Euro ausgeben werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) fällt dabei als Käufer aus. Seit 01.07.2022 kauft die Notenbank keine neuen Anleihen mehr. Staaten müssen zukünftig möglicherweise höhere Renditen bieten, um Käufer für ihre Anleihen zu finden. Klappt dies nicht, wird die EZB erneut als Käufer auftreten und erneut in eine expansive Geldpolitik einsteigen.

Doch keine Rezession ?

Aufgrund der bisherigen Zinsanhebungen der Notenbanken hat sich das Umfeld für die Finanzierung neuer Investitionen massiv eingetrübt.  Neue Projekte müssen in unsicherem Umfeld nun noch höhere Renditen erzielen, um den Kapitaldienst zu gewährleisten. Auch die Renditeanforderungen der Investoren steigen, da der risikolose Kapitalmarktzins Bestandteil der Renditeerwartung von Investoren ist.
Kann der Investor ohne Risiko drei Prozent Ertrag erzielen, dann erhöht sich seine Renditeerwartung für Risikoinvestments in gleicher Höhe. Wurden bisher Mietobjekte mit Mietrenditen von 2 Prozent realisiert, müssen heute wieder 5 Prozent und mehr erzielt werden.

Aufgrund diverser Engpässe in der Wirtschaft (Lieferengpäße bei Vorprodukten, Fachkräftemangel) sorgten volle Auftragsbücher für eine weiterhin gute Auslastung vieler Firmen. Aufgrund der verschlechterten Finanzierungskonditionen lahmt allerdings seit Monaten der Auftragseingang. Dies betrifft insbesondere die Bauwirtschaft. Für die Automobilhersteller sorgt die Reduktion der Förderung für Elektroautos zu einer rückläufigen Nachfrage. Seit 2023 beträgt der Umweltbonus von Staat und Herstellern statt 9.000 Euro nur noch maximal 6.750 Euro. Die Kaufprämie für Plug-in-Hybride wurde ganz gestrichen. 2024 folgt eine weitere Reduzierung. Dies führte Ende 2022 zu hoher Nachfrage, um die alte Förderung noch mitzunehmen. In 2023 dürfte eine deutlich sinkende Nachfrage nach E-Autos zu verzeichnen sein. Gleichzeitig dürfte es immer schwieriger werden, Neufahrzeuge mit Verbrennermotor zu verkaufen.
Zuletzt ist deutlich erkennbar, daß sich die Lieferkettenengpässe auflösen und viele Rohstoffpreise fallen. Beides sind Frühindikatoren, die belegen, daß sich die Lage in vielen Sektoren entspannt. Die Nachfrage war zuletzt stark rückläufig, die Auftragsbücher leeren sich und langfristige Investitionen werden zurückgestellt oder gestoppt. Für den weiteren Jahresverlauf stehen die Zeichen damit auf wirtschaftlicher Abkühlung.

Die Zinsanhebungen haben zudem die Finanzierungskonditionen für hoch verschuldete Unternehmen deutlich verschlechtert. Unternehmen geraten in die Zinsfalle und die Zahl der Insolvenzen steigt bereits seit Monaten. Dies wird in den nächsten Jahren zu Marktbereinigungen in vielen Sektoren führen. Vieles deutet darauf hin, daß der bisherige milde Verlauf des wirtschaftlichen Abschwungs in 2023 mehr Fahrt aufnehmen könnte. Zwar ist die Politik fest davon überzeugt ist, daß Deutschland nicht in eine Rezession geraten wird, dennoch erhöht die zeitversetzte Wirkung der Zinsanhebung die Gefahr einer Rezession erheblich.

In Zeiten multipler Krisen

Eine besondere Herausforderung für den risikobereiten Kapitalanleger ist die Vielzahl ungelöster Krisen und Konflikte weltweit. Jedes Aufflammen oder Eskalieren dieser Krisen hat das Potenzial, die Kapitalmärkte erneut heftig durchzuschütteln. Der Krieg in der Ukraine könnte sich von einem regionalen Konflikt zu einer größeren internationalen Auseinandersetzung entwickeln. Wie positionieren sich China und die USA in diesem Konflikt und setzen sich die zunehmenden Spannungen dieser beiden Weltmächte in wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht fort.  Wie kann sich Europa zwischen diesen Fronten als Wirtschaftsstandort behaupten ?  Endet die Globalisierung und zerfällt die Welt geopolitisch und energiepolitisch in mehrere regionale Blöcke und bricht damit die Zeit der Handelskriege an ?
Legen Versorgungsengpässe bei knappen Ressourcen erneut die Wirtschaft lahm ? Ist die erforderliche Öl- und Gasbelieferung für den kommenden Winter gesichert ?

Der Kampf der Notenbanken gegen die Inflation erfordert weitere Zinsanhebungen. Steigende Kapitalmarktzinsen könnten die Finanzierung ärmerer Staaten ins Wanken bringen. Droht die nächste Finanzkrise in noch größerer Dimension ?

Fazit : "Investieren auf Sicht"

Bisher war unsere Devise "cash is king", das hat sich nun geändert. Stattdessen plädieren wir für ein "Investieren auf Sicht". Aufgrund unserer Erwartung weiterhin steigender Geld- und Kapitalmarktzinsen machen nur Investments in kürzeren Laufzeiten des Rentenmarktes Sinn. Im Bereich der Kurzläufer sind zwischenzeitlich wieder Renditen von drei Prozent und mehr erzielbar.

Nach dem fulminanten Anstieg der globalen Aktienmärkte seit Oktober 2022 wird die Luft für weitere Kursanstiege immer dünner und die Rückschlaggefahr steigt. Wir bewerten die jüngste Entwicklung als Bärenmarkt-Rallye und rechnen im weiteren Jahresverlauf mit keinen weiteren Kursgewinnen an den internationalen Aktienmärkten.

Für Neuinvestments im Aktienmarkt empfehlen wir daher weiterhin den sukzessiven ratierlichen Einstieg in die globalen Aktienmärkte. Dabei sollte bewußt eine langfristige (10 Jahre plus) Investition geplant sein, da kurzfristig erneute Kursverluste drohen. Ferner sollte eine Konzentration auf internationale Topwerte erfolgen, d.h. Unternehmen, die ein gutes internationales Geschäftsmodell haben und eine entsprechend starke Wettbewerbsposition.

Für ein Investment in die internationalen Rentenmärkte bieten sich derzeit nur die kurzen Laufzeiten und die Top-Bonitäten an.  Auf Basis der aktuellen Rahmenbedingungen dürfte der Euro in den nächsten Monaten eher zur Schwäche gegenüber dem US-Dollar tendieren, da die Zinsdifferenz zwischen USA und Europa nach wie vor sehr hoch ist.  Im zehnjährigen Laufzeitbereich liegt die aktuelle Renditedifferenz zwischen der deutschen Staatsanleihe und einer US-Staatsanleihe bei in etwa 1,4 Prozent pro Jahr. Zudem ist die strategische Positionierung der USA in jeglicher Hinsicht deutlich besser. Aufgrund der angekündigten Leitzinsanhebungen der Notenbanken muß weiterhin über alle Laufzeiten mit steigenden Zinsen gerechnet werden. Daher sollten kurze Anlagelaufzeiten gewählt werden, um perspektivisch von den steigenden Zinsen zu profitieren.

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  Quartalsbericht IV-2022 - Honorarberatung Bodensee

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Kapitalmarktausblick – Ausgabe 01-2023